Der innere Weg der Mevlevis

Hz. Mevlana - Diener des Kur’ân

Ein Diener des Kur’ân bin ich, mein Leben lang,
Ich bin Staub auf dem Wege Muhammads, des verehrten,
Wenn jemand etwas anderes als dies überliefert,
So bin ich ihm und seiner Worte müd’ geworden.
(Hz. Mevlânâ)

Viele Bücher und Schriften gibt es schon zum Thema Tasawwuf (Sufitum) und über das Mevlevitum bzw. unseren Pir, Hazrat Mevlana Muhammad Dschelâleddin Rumî [qs]. Wir wollen hier versuchen einen Einblick in das zu geben, was den Weg der (Mevlevi-)Derwische beinhaltet.

Wir halten uns dabei an Grundlagen und Traditionen, wie sie seit Jahrhunderten weitervermittelt wurden, bzw. so, wie wir es von unseren Lehrern gelehrt bekamen. Der Weg der Mevlevi-Derwische ist der Weg, den Hazreti Pir Maulana M. Dschelaleddin[qs] gegangen ist und dem wir bemüht sind zu folgen.

Mit den obig zitierten Versen beschreibt uns Hz. Pir [qs] die Grundlagen seines Weges, er bezeichnete sich als Diener des Qur’ân, das heißt der Qur’ân war für Ihn Grundlage seines Lebens, weiterhin bezeichnet er sich als Staub auf dem Weg des Propheten Muhammed [saws], d. h. seiner Sunnah. Hier wird zugleich die hin und wieder gestellte Frage, ob Hz. Maulana [qs] Muslim gewesen sei, von ihm selbst hinreichend beantwortet. In der Aufforderung

Komm Komm…,

was immer wieder zitiert wird, liegt die Einladung Hz. Pirs [qs] eben diesem Weg zu folgen. Diesem Weg zu folgen heißt jedoch dem zu folgen, was Pir [qs] selbst gemacht hat. All die Übungen, Meditationen, Kontemplationen etc. sind uns überliefert und stehen noch nach Jahrhunderten zur Verfügung. Das dieser Weg in einer Zeit wie der unseren nicht leichter wird ist eine Tatsache die jeder, der sich darauf einlässt, am eigenen Leibe erfahren kann. Das sich darauf „Einlassen“ ist jedoch die Voraussetzung einer tatsächlichen Veränderung und Umwandlung. Der Weg der Sufis wird als Weg der Liebe bezeichnet, doch, was bedeutet dieses Wort Liebe, bzw. das arabische Wort ‘aschq welches mit Liebe übersetzt wird? Liebe bzw. ‘aschq bdeutet hier immer Hinwendung, die Liebe zu Gott beinhaltet immer auch die Hinwendung zu Ihm. Das arabische Wort „tauba“, türk. tövbe, wird im allgemeinen als Buße oder Reue übersetzt, es bedeutet jedoch im eigentlichen Sinne – Hinwendung.

Im Qur’ân 66:8 heißt es dazu:

Qur'an Sure 66:8 Taubatan Nasuhan

Das bedeutet:

O die ihr glaubt wendet euch zu Gott in einer aufrichtigen Hinwendung
[taubatan nasûhan].

Das arabische Wort nusuh bedeutet „aufrichtig sein“ oder auch „es gut (mit sich) meinen“. Wir sehen also, das es hier um zwei wesentliche Punkte im Um-gang des Menschen mit sich selbst geht: der Mensch soll mit sich selbst aufrichtig sein und der Mensch soll aufrichtig zu seinen Handlungen stehen. Hier fordert Gott von uns kein „schlechtes Gewissen“, sondern er will,

a) dass wir unser Fehlverhalten erkennen

und

b) dass wir daraus die Konsequenz ziehen.

Hierin liegt die Aufforderung wachsam und aufmerksam zu sein, arab. su`ur , und wenn wir uns von Ihm durch Gedanken und Handlungen abgewandt haben und es bemerken, so sollen wir uns von diesen Gedanken und Handlungen sofort wieder lösen und uns Ihm wieder zuwenden. Doch das arabische su`ur , welches mit Bewusstsein übersetzt wird, bedeutet noch weitaus mehr. Abgeleitet von der Wurzel sa`ara bedeutet es unter anderemgleichfalls, Wissen, Kenntnis, Wahrnehmen, Empfindungsvermögen, Aufnahmefähigkeit. Islam bedeutet Hingabe, diese Hingabe unter dem Willen Gottes verschafft uns eine sich steigernde Nähe zum Ihm. Die Nähe zu Gott beinhaltet jedoch auch die Nähe des Menschen zu sich selbst. Islam, d.h. Hingabe zu Gott, setzt das Bekenntnis des Menschen zu sich selbst voraus.In einem dem Propheten Muhamed [saws] zugeschriebenem Ausspruch heißt es:

Wer sein Selbst kennt, kennt seinen Herrn.
(Prophet Muhammad [saws])

Das heißt der (Mevlevi-)Derwisch ist nicht jemand, der Gott sucht, sondern jemand, der auf der Suche nach sich selbst ist. Wo Gott ist wissen wir, so heißt es dazu im Qur’ân 50:16 wie folgt:

Qur'an Sure 50:16 Näher als Halsschlagader

Das bedeutet:

Und Wir [Gott] sind ihm [dem Menschen] näher als seine Halsschlagader
[habl-il-warid]

Weiter heißt es in 57:4:

Qur'an Sure 57:4 Er ist mit euch wo ihr auch seid

Das bedeutet:

Er [Gott] ist mit euch, wo ihr auch seid.
[Qur’ân 57:4]

Es ist also nicht die Frage „Wo ist Gott?“ die uns beschäftigt, sondern die Frage lautet: „Wo bin ich?“. Der Grund unseres Hierseins, unseres Lebens auf der Erde, wird von Gott ebenfalls dargelegt, so heißt es im Qur’ân 51:56

Qur'an Sure 51:56 Menschen dazu geschaffen

Das bedeutet:

Und ich habe die Dschinn und Menschen nur dazu geschaffen, daß sie mir dienen.
[Qur’ân 51:56]

Die Sache mit den Dschinen ist ein Thema für sich und bleibt erst einmal unberücksichtigt. Wichtig ist zunächst die Aussage, dass wir leben um Gott zu dienen. Welche Konsequenz bzw. Bedeutung dieses Dienen für uns als Menschen hat, wollen wir nun näher betrachten. In diesem Zusammenhang sind noch folgende Verse des Qur’ân‘s in 2:30 sehr bedeutend:

Qur'an Sure 2:30 Nachfolger auf Erden

Das bedeutet:

Und als dein Herr zu den Engeln sprach: „[Wahrlich] ich bin dabei, einen Nachfolger [halifa] auf Erden zu erschaffen“! Da sprachen sie [die Engel]: „Willst du jemand erschaffen, der auf ihr Zwietracht säet und Blut vergießt, wir jedoch lobsingen dir und verehren dich ?“ Er [ALLAH] sagte: „[Wahrlich] ich weiß, was ihr nicht wißt.
[Qur’ân 2:30]

Und weiter heißt es:

Qur'an Sure 2:31 So lehrte er Adam die Namen aller Dinge

Das bedeutet:

Und [nachdem er ihn erschaffen hatte] so lehrte er Adam [dem Menschen] die Namen aller [Dinge der Schöpfung] ……..
[Qur’ân 2:31]

In diesen beiden zuletzt zitierten Versen ist ein Vorgang beschrieben, der unseren Daseinszweck als Menschen belegt. Zunächst sagt Gott, das Er beabsichtigt ein Wesen zu erschaffen welches er als Nachfolger auf Erden einzusetzen gedenkt. Obwohl die Art dieses Wesens weder erläutert noch angesprochen wird äußern die Engel, auf grund Ihres Wissens um das Kommende, Ihr Bedenken gegenüber Gottes und verweisen auf wesentliche Eigenschaften dieses künftigen Lebewesen und heben ihre eigenen Qualitäten hervor, in der Hoffnung Gott von seinem Plan abzubringen. Indem Gott jedoch sagt „[Wahrlich] ich weiß, was ihr nicht wißt.“, bestätigt er die Befürchtungen der Engel und weist zugleich daraufhin, dass Ihr Wissen um die zukünftigen Dinge von eingeschränkter Natur ist. Im nächsten Vers ist zu sehen, dass das Wesen, der Mensch, erschaffen wurde und Gott ihm die Namen aller Dinge lehrt und damit weist er ihn in die Gbeheinisse seines Schaffens und seiner Schöpfung ein. Weiter heist es im gleichen Vers:

Qur’ân Sure 2:31 So lehrte er Adam die Namen aller Dinge ab Zeile 2

Das bedeutet:

Hierauf legte er sie [d. h. die Schöpfung] den Engeln vor und sagte: „Tut mir ihre Namen kund, wenn [anders] ihr die Wahrheit sagt!
[Qur’ân 2:31]

Daraufhin erwiederten die Engel:

Qur’ân Sure 2:32 Engel erwiderten: Gepriesen seist du!

Das bedeutet:

… Gepriesen seist du! Wir haben kein Wissen außer dem, was du uns [vorher] vermittelt hast. [Wahrlich] Du bist der Wissende und der Weise.
[Qur’ân 2:31]

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