بسم الله الرحمن الرحيم
Scheich Abdullah Halis al Mevlevi – Efendi
Ein Leben im Dienste des Höchsten
- In den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges wurde Efendi in Berlin geboren. Mitten hinein in Chaos und Zerstörung. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es für all die Mütter war, die während des Krieges ihre Kinder getragen und bekommen haben. Ohne sicheren Ort und ohne zu wissen, wie lange der Krieg noch dauern würde. Ein sehr starker Überlebenswille gepaart mit ständiger Angst und Sorge muss Mütter und Kinder in dieser Zeit geprägt haben.
Der „Zusammenbruch“, die „Befreiung“ folgten wenige Tage später. Efendis Vater gelang es, sehr schnell nach Kriegsende nach Hause zu kommen, so dass die Familie nicht ganz schutzlos war. Wenn Geburtsstunde, -tag und -ort eine Bedeutung für das kommende Leben festlegen, dann blieb Efendi, geboren am 5. 5. 1945, morgens um 5.00 Uhr wohl kaum eine andere Wahl als der Weg in den Islam, denn 5 ist seine Zahl.
Bis Efendi da mit 19 Jahren ankam, verbrachte er Kindheit und Jugend in Berlin. Nach der Schule folgte eine Lehre als Stuckateur, die er aber wegen gesundheitlicher Probleme abbrechen musste. In einem zweiten Anlauf schloss er die Ausbildung zum Strickmaschineneinrichter ab. Damals, d.h. in den frühen 60iger Jahren, war Berlin noch ein Zentrum der Textilindustrie. Die Neigung und Liebe Efendis ging aber weder in die eine noch in die andere berufliche Richtung. Ägyptologie wäre es gewesen. Am Tag nachdem er mit einem Professor an der Humboldt-Universität die Möglichkeit eines Begabtenstudiums geklärt und vereinbart hatte, wurde die Mauer gebaut und damit war dieser Weg abgeschnitten. Aber der Orient ließ ihn deshalb noch lange nicht los, und wenige Jahre später brach er zu seiner ersten Reise in die Türkei auf.
Wie dieses Kind aus einer völlig religionsfreien Familie dazu kam, schon mit 9 Jahren in „Götter, Gräber und Gelehrte“ zu schmökern und dann später alles ihm zugängliche über die großen Weltreligionen verschlang, blieb bis heute seinen nahen Verwandten schleierhaft. In der Schule ständig unterfordert, voller Ideen für Streiche und Theaterstücke, begeistert von allem was fliegt und knallt, war seine Kindheit abenteuerlich und gleichzeitig einsam. Im evangelischen Religionsunterricht, den seine katholische Mutter und sein gottgläubiger Vater für ihn bestimmt hatten, traf er auf einen unglücklichen und wahrscheinlich auch mit seinem Gott restlos zerstrittenen Pfarrer, der keine befriedigenden Anworten auf die Fragen des Heranwachsenen hatte. „Das ist das Geheimnis des Glaubens“ reichte dem neugierigen, forschenden Geist nicht, der tiefere Sinn blieb verschlossen und führte den Jungen auf eine lange Suche und in eine Zeit des Experimentierens mit verschiedenen meditativen Praktiken.
Sinn und Erkenntnis fand er schließlich im Qur’an, die offenen Fragen wurden beantwortet und so konvertierte er im Februar 1965 bei Abdul Muhsin al-Konavi, damals ein türkischer Student an der TU, zum Islam. Zwei Tage später begann der Ramadan und noch ein paar Tage später stellte er sich unter den Prüfungen des Fastens die Frage: „Jetzt hast du so lange gewartet, hättest du nicht auch noch diesen Monat warten können?“ Und es dauerte noch etliche Jahre bis er die Ramadane ohne Krankheiten überstehen konnte. Soviel zum Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Der Segen des Fastenmonats liegt eben unter anderem auch darin, dass man sich selbst nichts mehr vormachen kann.
Mit dem Islam kam der Kontakt zu türkischen Menschen und zur Türkei. Die erste Reise führte dann im August 1965 nach Istanbul und bald darauf lernte er, ohne es zu wissen, seinen ersten Lehrer auf dem Sufiweg kennen, das war der Naqschibendi Scheich Hadschi Zekeriya aus Balikesir, ein Verwandter seiner ersten Frau Gülschen.
Alles, was er von ihm lernte, hielt er zunächst für normales Wissen über den Islam. Da für ihn ja alles neu war, konnte er natürlich auch nicht erkennen, wo der Unterricht über die Religion endete und wo die Einführungen in den Weg begannen. Außerdem dauerte es einige Zeit, bis er gut genug türkisch sprechen und verstehen konnte. Heute ist ihm diese Sprache vertrauter als seine Muttersprache und das Osmanische zu lernen war für ihn eher ein Vorgang des Erinnerns als mühseliges Lernen.
Und so fiel es ihm auch erst dann auf, als er seinem Lehrer im Gespräch mit einem Freund zuhörte, dass da offensichtlich von tariqat und ähnlichem die Rede war und als er genaueres wissen wollte, erfuhr er, dass Hadschi Zekeriya ihn schon seit Jahren nach den Methoden der Naqschibendiyye unterrichtete. Warum er das ohne sein Einverständnis gemacht hätte, antwortete der Scheich: „So einen wie dich konnten wir nur durch die Hintertür hereinlocken. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn wer einmal von diesen Süssigkeiten gekostet hat, kommt nicht mehr davon los.“
So war es denn auch.
Noch in der Zeit bevor Efendi herausgefunden hatte, dass Hadschi Zekeriye (r.a.) ihn bereits als Schüler angenommen hatte, lernte er Muzaffer Ozak Efendi (r.a.) in Istanbul kennen. Sofort war sein Interesse geweckt, aber auf seine Anfrage, ob er als Schüler genommen werden könnte, kam keine Reaktion, nicht mal ein Nein. Offensichtlich wusste Muzaffer Efendi mehr, als der junge Deutsche und konnte sehen, dass er zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr frei war, um einen Bund mit ihm einzugehen.
Während dieser Jahre heiratete Efendi seine erste Frau, eine junge Türkin und sie bekamen drei Kinder zusammen. Leider bestand von Anfang an ein folgenschweres Missverständnis: Efendi hoffte, mit seiner türkischen Frau dem Islam näher zu kommen und sie hoffte, mit ihrem deutschen Mann der westlichen Lebensweise näher zu kommen. Sie hoffte darauf, dass seine Liebe zum Islam und Sufitum sich im Laufe der Zeit wieder verlieren würde und er hoffte, dass sie ihre Liebe dazu entdecken würde. Beider Hoffnungen waren vergebens und führten schließlich auch zur Trennung.
Durch einen Freund von Hadschi Zekeriya, Vehbi (Akçora) Efendi wurde Efendi in den Orden der Kadriyye-Derwische aufgenommen und lernte seinen nächsten Lehrer, Ali Barisch Efendi (r.a.) kennen. Mit ihm begann die Einführung in den Mevleviweg. Während dieser Zeit pendelte Efendi zwischen Berlin und der Türkei. Die Familie begleitete ihn zeitweise und die Kinder kamen z.T. in der Türkei und z.T. in Berlin zur Welt. Später, als Efendi während der Tschile für drei Jahre in Aleppo blieb, lebten Frau und Kinder bei ihrer Familie in Balxkesxr, einer Mittelstadt in der Nähe der türkischen Ägäis.
Ein Lehrer schickte Efendi zum nächsten. Und so kam er dann auch nach Aleppo zu Scheich Mustafa Kemal al Mevlevi, der ihm dann 1975 die Lehrerlaubnis für die Mevleviyye-Tariqa übergab und ihn als seinen Halifen, d.h. Nachfolger, einsetzte.
Wenn es nach Efendi gegangen wäre, so hätte er sein Leben im Orient verbracht, in der Türkei oder in Syrien, beides wurde ihm von Scheich Mustafa Kemal nicht erlaubt. Er ließ ihn zwar noch bei Abu Scherif Ass´i Efendi den Rifa’i-Weg erlernen, aber dann befahl er ihn zurück nach Deutschland.
Efendi hatte in diesen ersten 10 Jahren seines Muslim-Seins sehr viele alte Scheichs aus verschiedenen Turuq kennengelernt. Es war ein Eintauchen in die untergehende Tradition des osmanischen Tasawwuf. Seit 1925 waren die Sufi-Orden in der Türkei verboten und so kam auch mit Scheich Mustafa Kemal das Oberhaupt der Mevlevis von Konya nach Aleppo. Das Mutterhaus wurde geschlossen, bzw. in ein Museum umgewandelt und viele der Scheiche und Derwische siedelten nach Aleppo über, das damals noch sehr osmanisch geprägt war. Bis zur Errichtung der modernen Türkei hatte Aleppo zum osmanischen Reich gehört und 1922 wurde es zwar französisches Mandatsgebiet, aber die Menschen blieben natürlich zunächst noch ihren herkömmlichen Traditionen verbunden. Und so fand die Leitung des Mevleviordens in Aleppo selbstverständlich Aufnahme.
In den 40er Jahren, als es bereits den syrischen Staat gab, verlangte man von den Zugewanderten, dass sie die syrische Staatsbürgerschaft annehmen, wenn sie weiter dort bleiben wollten. Weil der damalige Tschelebi Abu Bakr Efendi dies nicht wollte, kehrte er in die Türkei zurück, konnte damit aber nicht länger Oberhaupt der Mevleviyye bleiben und so wurde der Syrer Scheich Mustafa Kemal gewählt. Er stammte aus einer Mevlevi-Familie mit über 300jähriger Tradition und seine Wahl wurde von der Mehrheit der Scheiche bestätigt und anerkannt. Seit dieser Zeit hatte die Tariqa zwei Häupter: den Tschelebi aus der Familie des Pirs, durch Geburt und Herkunft und den gewählten Großscheich in Aleppo. Diese Spaltung existiert noch bis in unsere Tage und alle Versuche von Efendi, die Tariqa wieder zu vereinen, sind bisher gescheitert. Als Nachfolger von Scheich Mustafa Kemal (r.a.) führt Efendi diese Linie weiter und er hat damals in Aleppo durch seinen Rehber Farhad Dede (r.a.) sehr viel tradiertes Wissen vermittelt bekommen, das in der anderen Mevlevi-Linie nicht mehr gelehrt wurde und wird. So kommt es auch, dass wir mit dem wirdu-s-sira einen anderen Evrad lesen als die Mevlevi-Geschwister in Amerika oder in der Türkei.
Genaueres dazu findet sich in der Geschichte der Mevleviyye, die Efendi bereits angefangen hat zu schreiben.
Bis zum Bürgerkrieg in Syrien anfangs der siebziger Jahre war Aleppo ein lebendiges Zentrum des Tasawwuf. Efendi erzählt, dass man jeden Tag in eine andere Moschee zum Zikr gehen konnte, dass tausende Menschen daran teilnahmen, ganze Stadtviertel das religiöse Leben mittrugen und sehr viele bemerkenswerte Lehrer sich in dieser Stadt versammelten. Stundenlang kann Efendi von ihnen Geschichten erzählen. Er traf z.B. noch Lehrer Gurdjieffs, die ihm sagten, dass dieser damals nicht die Erlaubnis hatte, seine Lehre weiterzugeben. Alles, was er erfahren hatte, war nur für ihn und sollte eigentlich auch mit ihm zu Ende kommen. Er lernte weise Frauen kennen, die auf spirituelle Weise heilen konnten. Eine befreite ihn selbst einmal von den krankmachenden Folgen des Bösen Blicks. Solche Erfahrungen erschütterten natürlich das Weltbild des rationalen Europäers und wirklich zum Fürchten war ihm, als er zum ersten Mal einen leibhaftigen Dschinn sah, der an den Ring eines Lehrers gebunden war und sich manifestierte, als sein Herr den Ring auf bestimmte Weise drehte.
Auf Geheiß seiner Lehrer befasste er sich selbst ausführlich mit orientalischer Magie und machte auch auf diesem Wege viele außergewöhnliche Erfahrungen. Noch heute kommen Menschen zu ihm, die seine Hilfe suchen, wenn sie sich von Dschinnen besetzt oder mit Flüchen belegt fühlen oder wissen.
Außerdem besuchte er eine traditionelle Medrese, eine islamische Hochschule und studierte Islamisches Recht. Unterrichtssprache war Osmanisch und das zeigt die Herkunft der Lehrer. An dieser Medrese wurde auch systematisch geübt, alle möglichen Sachverhalte von allen Seiten zu betrachten und gründlich zu durchdenken. Daran sieht man auch, dass noch nach alten Gepflogenheiten unterrichtet wurde und nicht nur stures Auswendiglernen, wie es heute oft verlangt wird, als Unterricht bezeichnet wurde. Auf diesem Hintergrund konnte er dann zeitweise in Aleppo als Kadi, d.h. Richter an einem Scheriatsgericht arbeiten.
Und wenn man heute nach Aleppo kommt, findet man nur noch wenig lebendiges Sufitum. Nach und nach sind die alten Lehrer gestorben und jetzt sind die Turuq in Syrien zwar nicht verboten, aber die Lehrer dürfen keine Schüler mehr annehmen, jedenfalls nicht offiziell und mit Erschrecken kann man feststellen, wie schnell die Jahrhunderte alte Tradition schwindet oder verwässert und nur noch ein Abglanz der alten Herrlichkeit übrig geblieben ist.
Ende der 70iger Jahre kam Efendi nach Berlin zurück und begann mit den türkischen Brüdern Zikrversammlungen. Damals formierten sich die ersten Moscheevereine und die berühmten Hinterhof-Moscheen wurden eingerichtet.
Efendi lernte auch junge Deutsche kennen, die sich ihm als Schüler anschlossen und durch ihn den Islam und das Sufitum kennenlernten. Außer ihm gab es in Berlin noch einen anderen Sufilehrer, Scheich Dr. Salah Eid (r.a.) aus Ägypten, der für den sudanesischen Burhani-Orden tätig war. Viele junge Leute sammelten sich um ihn und bis heute gibt es eine große Gruppe der Burhaniyye in Berlin. Sie sind über die „Mekkanische Rose“, einen Duftölladen in der Leibnizstraße in Berlin zu finden.
Efendi hatte schon früher, während eines seiner zeitweiligen Aufenthalte in Berlin mit Scheich Salah Bekanntschaft gemacht. Damals war er noch kein Lehrer des Weges, sondern hatte über Efendi selbst seine ersten Kontakte zum Tasawwuf.
Mit den türkischen Brüdern, der Gruppe um Scheich Salah und einer kleinen Gemeinschaft deutscher Muslime begann Efendi sein Wirken in Berlin. 1983 kam Scheich Muzaffer Ozak Efendi nach Deutschland, eingeladen von der Sufigemeinschaft, die sich im Haus Schnede traf. Efendi war als Übersetzer dabei und während dieses Treffens wurde Efendi aufgrund von Träumen einiger Derwische Scheich Muzaffers als sein Halife für Deutschland eingesetzt. So schloss sich ein Kreis: vor fast 20 Jahren wollte er sein Murid werden und nach der langen Lehrzeit bei anderen Lehrern setzte Muzaffer Efendi ihn jetzt als seinen Stellvertreter in Deutschland ein. So wurde Efendi auch noch Scheich der Dscherrahiyye. Und mit der Erlaubnis von Muzaffer Efendi setzte er seine Arbeit in Berlin für diese Tariqa fort.
Wenige Wochen später trafen wir Efendi in Berlin und noch vor Ende des Jahres 1983 heirateten wir.
Man kann sich fragen, wie es kommt, dass eine Person die Lehrerlaubnisse für mehrere Sufigemeinschaften haben kann. Bei Efendi war es so, dass seine Lehrer ihn immer weiterschickten und auf diese Weise sammelte er das Wissen verschiedener Orden. Von der Dscherrahiyye wird auch gesagt, dass der Pir, d. h. der Gründer, Muhammad Nured-din al-Dscherrahi im 17. Jahrhundert das Wissen der vier großen Wege der Vergangenheit: Naqschibandiyye, Halvetiyye, Mevleviyye und Kadriyye zu einem neuen Weg zusammenfasste und so ähnlich hat auch Efendi mit der Dscherrahiyye die Vertretung für fünf Wege.
Es gab in der Vergangenheit auch bei ihm den Ansatz, alles Erfahrene und Erlernte in einem neuen Weg zu bündeln. Diesen Versuch nannte er damals Halisiyye, abgeleitet von seinem zweiten Vornamen, aber es zeigte sich, dass es in diese Richtung nicht weiterging. Und auch bei der Dscherrahiyye war auf Dauer kein Verweilen. Nach dem Tod von Scheich Muzaffer Efendi (r.a.) im Jahre 1985 übernahm sein bereits zu Lebzeiten eingesetzter Stellvertreter, Scheich Sefer Dal (r.a.) die Leitung der Gemeinschaft von Istanbul aus und wurde der Großscheich für alle Gemeinschaften in der Türkei, in Amerika, in Europa, Australien und Lateinamerika. Die Position, die Sefer Efendi (r.a.) unter Muzaffer Efendi inne hatte, nennt man „ser tariq“, d. h. „Kopf des Weges“ und das ist derjenige, der für die Erziehung und Ausbildung der Schüler zuständig ist. Bei der Dscherrahiyye wurde es immer so gehandhabt, dass der ser tariq vom Großscheich eingesetzt wurde und damit stand der Nachfolger schon fest.
Efendi erneuerte seinen Bund, d. h. seine Gefolgschaft, die er Muzaffer Efendi gelobt hatte, bei Sefer Efendi und nahm weiterhin Schüler nach den Regeln der Dscherrahiyye auf.
Es zeigte sich aber im Laufe der Zeit, dass es ihm nicht mehr möglich war, die notwendige Gefolgschaft zu leisten. Es war für ihn unbefriedigend nur das tun zu können, was Sefer Efendi für die Türkei als richtiges Vorgehen für die Tariqa festgelegt hatte.
So kam es Mitte der 90er Jahre zur Trennung.
Mit dem Umzug nach Trebbus und dem Aufbau der Gemeinschaft hier erschien es Efendi richtig, wieder auf die Mevleviyye zurückzukommen und so erhalten seit einigen Jahren die Schüler einen Bund unter der Obhut von Pir Muham-mad Dschelaleddin Rumi (q.s.) und die Anbindung an diese Kette der Überlieferer (silsile) gibt den Segen für Efendis Muride.
Durch diesen Weg haben wir wieder zugang zur Lichtglanzmeditation und damit einen tradierten Weg der Selbsterkenntnis. Die Lichtglanzmeditation, oder tibb-i nuraniyye, wie es eigentlich heißt: „Medizin des Lichtglanzes“ ist eine Arbeit mit Energiezentren und den Energien von Farben und Formen. An dieser Arbeit wird ganz deutlich, dass auch die Mevleviyye ihre Wurzeln in den noch älteren Sufigemeinschaf-ten hat, denn die LGM weist auf die Kubreviyye Tariqa von Nadschmeddin Kubra und er hatte seinerseits seine Wurzeln in der Suhrawardiyye. In beiden Gemeinschaften waren Meditationen mit Licht und Energiezentren bereits lange geübt.
Aus diesem Grund nennt Efendi die Gemeinschaft, der er heute vorsteht Kubreviyye-Mevlevi-Tariqa und auch um kenntlich zu machen, dass er sich in dem, was er an Wissen weitergeben kann, vom türkischen Zweig des Mevlevis unterscheidet.
Seit Efendi zurück in Deutschland ist, nach seinen Lehr- und Wanderjahren im Orient, sucht er nach Mitteln und Wegen, die traditionellen Sufiwege auch für moderne Europäer zugänglich und verständlich zu machen. Er leistet also gewissermaßen „Übersetzungsarbeit“. Sein Ziel ist dabei, den Kern der Sache zu wahren, nichts zu verfälschen oder abzuschwächen. Er möchte auch nicht die Verbindung zwischen Islam und Tariqa unterbrechen. Diesen Schritt hielten einige Sufi- Lehrer, die aus dem Orient nach Europa gekommen sind für notwendig. Man glaubte, dass es für viele Menschen in Europa zu schwierig sein könnte, sich mit dem Islam auseinander zu setzen und ihn für sich anzunehmen.
Seit dem 11. September 2001 ist der Ruf des Islam in der deutschen Öffentlichkeit noch schlechter geworden und es ist nicht immer leicht zu vermitteln, dass der Weg der Hingabe, was Islam eigentlich bedeutet, keinen Terrorismus billigt und dass viele Gründe Muslime in aller Welt zu Wahnsinnstaten treiben können, die aber alle nicht in der Religion zu suchen sind.
Allerdings ist es klar, dass das Verständnis des Islam auch unter Muslimen umstritten ist und dass gerade in den letzten 20 Jahren sehr viel Enge und Einseitigkeit das religiöse Leben vieler Muslime bestimmt. Efendi sagt oft, dass er froh ist, dass er noch erfahren konnte mit welcher Selbstverständlichkeit, innerer Gewissheit und Gelassenheit solche Menschen wie Hadschi Zekeriya (r.a.) ihre Religion lebten. Die Menschen seiner Generation waren noch sehr gut ausgebildet worden, hatten gelernt über ihre Religion nachzudenken und hielten sich an das Göttliche Gebot, wie es an vielen Stellen im Qur’an steht, dass der Mensch seinen von Gott gegebenen Verstand auch gebrauchen soll. Es kommt nicht darauf an, blindlings nach zu plappern, was man von Vater und Großvater gehört hat, sondern jeder Muslim ist als eigenverantwortliches Individuum von Gott geschaffen und muss als solches für sein Leben und Handeln einstehen.
Die Aufgabe in unserer Zeit ist den Zugang zur Religion nicht zu verlieren, sondern die überlieferten Wahrheiten neu zu überdenken, ohne sie zurecht zu biegen.
Efendi sagt, Islam ohne tariqa ist für ihn nicht denkbar, denn die Entwicklung der Persönlichkeit ist auch eine Forderung des Erhabenen Qur’an (vergl. Sure 91, Vers 7-9). Es kann nicht darum gehen, aus Angst vor Strafe oder aus Hoffnung auf das Paradies den Göttlichen Geboten zu folgen. Vielmehr soll der Mensch lernen, dass es Ausdruck der Göttlichen Liebe und Barmherzigkeit ist, wenn Er den Menschen Gebote gibt. Gott hat uns so geschaffen, dass wir freiwillig den Weg der Hingabe zu Ihm einschlagen können. Tariqa ist die Gemeinschaft innerhalb derer die Gläubigen, die notwendige Persönlichkeitsschulung erfahren, um als freiwillig Dienende ihren Aufgaben als Geschöpfe Gottes auf Erden gerecht zu werden.